Die Autorin wurde am 02. Dezember 1933 geboren. Sie besuchte vier Jahre die damalige Volksschule und besuchte weitere vier Jahre während des Nazi-Regimes die Höhere Abteilung der Volksschule nach der bestandenen Prüfung. 1948 aus der Schule entlassen, lernte sie im Büro einer Weberei, wechselte dann als Gegenbuchführerin zu Sparkasse, nahm am Tagesgeschehen als Volkskorrespondentin teil und fand so den Weg in den Journalismus. 1959 erwarb sie sich an der Fachschule Leipzig im Fernstudium den Titel "Journalistin". Nach der Geburt ihres Sohnes wechselte sie von der Tageszeitung zu einer Wochenzeitung und arbeitete bis zur Wende als verantwortliche Betriebszeitungsredakteurin.
Bei uns im Programm:
Lebensreise oder der verlorene Traum 1
Lebensreise – Der Neuanfang – Eine Familiengeschichte 2
Lebensreise – Angekommen? 3
Angst - Band 4: Geisterspuk
Fast von Anfang an dabei im MoKo-Verlag ist mein heutiger Gast im Autoreninterview: Renate Barth. Ihre autobiografische Trilogie „Lebensreise“ ist zugleich auch spannende Zeitgeschichte, die das Leben im Osten Deutschlands vom 2. Weltkrieg bis heute beschreibt. Ebenfalls vertreten ist Renate Barth in der ANGST-Reihe (Band 4: Geisterspuk – erscheint in wenigen Wochen) und im MoKo-Jahrbuch mit „Zwei Frauen in Ost und West (das e-book des Monats im August 2019). Ich freue mich, sie in unserem Verlag als Autorin zu haben und bin auf weitere Veröffentlichungen von ihr gespannt. Übrigens den abschließenden 3. Teil zu „Lebensreise“ gibt es ebenfalls Ende August / Anfang September im MoKo-Verlag.
Fangen wir mit den Fragen an, liebe Renate.
1. Von Geburt an lebst du im Osten Deutschlands. Hast du jemals das Verlangen verspürt in einer anderen Gegend von Deutschland oder im Ausland zu leben?
Nein, bewusst habe ich das nie gewollt. Sachsen ist meine Heimat. Meine Vorfahren lebten seit dem 17. Jahrhundert hier. Ich entstamme einer gutbürgerlichen Familie, die sich nicht immer mit meiner Lebenseinstellung identifizieren konnte. Obwohl getauft und konfirmiert habe ich auch in Glaubensfragen zu viel in Frage gestellt und bin schließlich Atheistin geworden.
Genauso wissbegierig war ich in gesellschaftlichen Fragen, vor allem, nachdem Deutschland – glücklicherweise – den Krieg verloren hatte.
2. Deine dreiteilige Autobiografie „Lebensreise“ ist auch ein großartiges Stück Zeitgeschichte. Könntest du dir vorstellen, dass auch Schulen hier Interesse zeigen?
Deine Einschätzung ehrt mich. Aber nein, solche Vorstellungen hatte ich nicht.
Ich bin wohl auch zu alt, um die Werbetrommel zu schlagen. Ich habe auch erst eine Lesung mit Hohenstein-Ernstthaler Autoren durchgeführt, die eine gute Resonanz hatte. Organisiert haben das Jüngere.
3. Ich bewundere deinen hellwachen Geist und deine vielseitigen Interessen. Was ist dein „Geheimnis“, dass du so aktiv bist?
Das ist kein Geheimnis. Ich war mein ganzes Leben lang neugierig, neugierig auf das Morgen, auf die Welt und die Menschen. Eine gesunde Neugier, die mich im Geist hat jungbleiben lassen und in dem immer das Glas halbvoll, nie halb leer war.
4. Gibt es neue Projekte, an denen du arbeitest?
Die „Lebensreise“ in drei Büchern wird noch dieses Jahr abgeschlossen. Im Kommenden ist vorgesehen, die drei kleinen Einzelbücher in einem Band zu vereinen und ihn wahrscheinlich mit neuem Cover herauszubringen.
Ob noch weitere Projekte zu erwarten sind? Wer weiß? Wenn ich gesund an Körper und Geist bleibe. vielleicht. Aber das wird die Zukunft bringen.
5. War es für dich schwer, als du deine Erinnerungen aufgeschrieben hast, alles noch einmal zu erleben?
Ja und nein. Natürlich hat es weh getan, all die erlittene Angst, das Leid noch einmal zu durchleben. Aber mit jeder neuen Seite wurde ich mehr befreit, gewann Abstand zu meiner Trauer um meinen Mann, der den Krebs nicht besiegen konnte und fand über das Schreiben ins Leben zurück.
6. Welche Menschen haben dich am meisten beeinflusst?
Nach dem Krieg waren es die Antifaschisten, die mich geprägt haben. Ich wollte nie wieder im mit Baumstämmen abgestützten Keller hocken und voller Angst die Bomber über unserem Städtchen brummen hören. Nie wieder solchen Hunger haben. Damals sagten alle: “Lieber trocken Brot, aber nie wieder Krieg.“ Die meisten haben diesen Satz inzwischen vergessen. Soll auch so sein. Aber erinnern können nur wir Alten, die Jungen sollen so etwas nie erleben müssen. Das haben mir die Altvorderen damals mitgegeben.
7. Märchen sagen viel über Menschen aus. Welches ist dein Lieblingsmärchen und warum ist es gerade dieses?
Ich habe eigentlich kein Lieblingsmärchen. Ich liebe sie alle. Es verging kein Weihnachten, an dem nicht ein Märchenbuch unter dem Tannenbaum lag. Das war für mich genauso wichtig, wie die spärlichen Süßigkeiten; denn es war ja Krieg.
8. Bereiten dir die politischen Entwicklungen gerade im Osten Deutschlands Kopfzerbrechen?
Nein, denn es war vorauszusehen, dass irgendwann die Euphorie über die Wiedervereinigung vorüber gehen würde. Alles ging viel zu schnell, vielleicht fehlte auch genügend Überlegung, wie die Menschen mit der neuen Ordnung zurechtkommen würden. Allerdings ist dieses Rechtsabdriften keineswegs nur eine ostdeutsche sondern eine gesamtdeutsche Erscheinung. Ich gehöre mit 85 Jahren zu der Generation, die noch den 2. Weltkrieg, den Hunger danach und den mühsamen Aufbau nach 1945 bewusst erlebt hat. Und ich stehe auch heute noch zu der Devise: Nie wieder Krieg!
9. Welche Tipps kannst du jungen Autoren geben, die gerade mit dem Schreiben beginnen?
Probieren geht über studieren. Wenn ihr Lust zum Schreiben habt, dann macht es. Das Handwerkliche kommt dann mit der Zeit.
10. Wann hast du mit dem Schreiben begonnen?
Mit 10 Jahren habe ich den Film „Sophienlund“ gesehen, war so beeindruckt, dass ich eine Fortsetzung in einem Vokabelheft niederschrieb. Meine ältere Schwester und ihre Freundinnen waren ganz scharf, das zu lesen.
Ich danke Dir für Deine ehrlichen Antworten und freue mich schon auf ein weiteres Interview mit einer Deiner Kolleginnen/Kollegen. Und keine Sorge, es gibt jedes Mal neue 10 Fragen.
Euer Markus vom MoKo – Verlag