Heute habe ich René Lindenau zu Gast. Ungeduldig warten wir hier im MoKo-Verlag und René natürlich auch selbst, auf den Eingang von „Gedicht-Collagen“. Ein wunderbarer Lyrik-Band angereichert mit Fotografien, die René gemacht hat. René ist ein Betrachter, ein Beobachter, der dies in Gedichten widerspiegelt. Zum Teil gesellschaftskritisch, selbstkritisch – aber immer treffende und schöne Worte dafür findet.
Fangen wir also mit den Fragen an:
1. Wie schon oben erwähnt bist Du ein Beobachter, ein Betrachter Deiner Umwelt. Fallen Dir die Gedichte dazu spontan ein oder benötigen sie einen gewissen Reifeprozess in Dir?
Wie schon gesagt bin ich Beobachter wie Betrachter von Menschen, Ereignissen und Umwelt, woraus dann Verse entstehen bzw. die mich zuvor zum Nachdenken bringen. Aber manchmal ist man einfach nur sprachlos - so ist die Zeit.
2. Oft findet man in Deinen Texten Kritik an der Gesellschaft. Glaubst Du daran, dass Du damit auch die entsprechenden Leute erreichst?
Ja klar. Doch im Ernst: Zu große Erwartungen sollte man nicht haben. Die Menschheit hat in ihrer Geschichte oft genug bewiesen, dass sie unglaublich dumm ist und alte Fehler lieber nochmal macht, inzwischen bei Strafe ihres endgültigen Untergangs. Also, die Hoffnung da was Grundlegendes zu reißen, ist sehr begrenzt.
3. Wird es von Dir in Zukunft auch in dem Bereich Prosa etwas geben?
Man soll grundsätzlich nie, nie sagen. Doch Romane aus meiner Feder könnte ich mir nicht vorstellen. Man muss ja seine Grenzen kennen. Und ich halte mich für „Roman (schreibend) untauglich“. Eher schon für Kurzgeschichten. Da man auch Sachtexte aller Art zu den klassischen Prosagenres zählt, da kann man seit einigen Jahren regelmäßig von mir lesen. Hier geht es um Tagespolitik, Ausstellungen, Rezensionen, Geschichte.
4. Das Fotografieren scheint ein beliebtes Hobby von Dir zu sein. Wenn Du ein Motiv gefunden hast, wie müssen wir uns das vorstellen: Gibt es dazu das Gedicht schon vorher, oder ist das Foto bereits vorhanden?
Das Fotografieren habe ich vor Jahren als Hobby wieder neu entdeckt. Geschehenes auf diese Weise festzuhalten hat auch was Faszinierendes. Im Nachhinein kann ich nur dankbar sein, dass ein Teil davon als Illustration meiner Gedichte eine Nutzung erfährt. Dieser Wechsel von Foto und Text trägt möglicherweise zur Erweiterung des Leserkreises für Lyrik bei. Denn es m.E. ist es ein Unterschied, ob man sich „nur“ durch Textwüsten durcharbeiten muss, oder ob man noch mit einer bildlichen Oase etwas Abwechslung bekommt. In der Regel ist erst das Gedicht da. Später erfolgt dann die Auswahl und thematisch passende Zuordnung: Gedicht und Foto.
5. Erkläre uns, wie Du auf den Titel „Gedicht-Collagen“ gekommen bist.
Ganz einfach. Der Titel sollte die Kombination von Gedichten und Fotos deutlich machen.
6. Wenn ich Dir fünf Stichworte gebe, könntest Du daraus spontan ein Gedicht zaubern? Also: Rose – Laut – Neid – Allein – Himmel
Der Spontanmensch bin ich da wirklich nicht.Wenn dann kann es nur relativ sinnlos sein und mit den eigenen Qualitätsansprüchen, die man inzwischen an sich selbst stellt, so gar nichts miteinander zu tun haben.
Die Rose ragt zum Himmel hoch.
Laut war der Neid.
Doch so weit oben.
War sie Allein.
(vielleicht doch?)
7. Was fasziniert Dich daran mit Worten zu spielen?
Worte sind unser Werkzeug. Man kann sich ausdrücken, allein darin liegt auch ihr Reiz. Man kann sich dabei austoben, Köpfe und Herzen von Menschen zu erreichen versuchen, manchmal ist es eine richtig geile Sache, wenn einem da was gelingt. Aber ist immer auch harte Arbeit.
8. Leider wird in der heutigen Zeit Lyrik nur noch von einem sehr ausgesuchten Publikum gelesen. Welche Vorschläge hast Du, um dieses Genre auch wieder jüngeren Lesern zugänglich zu machen?
Lyrik wird oft zu Unrecht unterschätzt. Vielleicht liegt das Desinteresse daran auch an uns „Lyrik - Produzenten“ selbst. Sind wir in unserem Schreiben lebendig und realitätsnah genug? Was nicht heißen soll, dass man sich nicht auch „lebensabgewandten Träumereien“ zuwenden soll. Aber mehr Lebensnähe, in der man sich jeweils wiederfindet, erobert eventuell auch neue Leser. Der Mix macht es. Ferner sollte auch über neue Werbung und Popularisierung dieses Genres nachgedacht werden. Dies dürfte ein Arbeitsfeld nicht nur für Literaturfreunde, sondern für literaturfreundliche Marketingexperten sein.
9. Was bedeutet das Schreiben an und für sich für Dich?
Schreiben ist Ausdrucksmittel und oft Therapie in diesen wirren Zeiten. Oft ist sie Spielwiese für Phantasien und Wünsche. Anderseits will ich sprachlich aufrütteln, zum Nachdenken anregen.
10. Einige Deiner Gedichte könnte man sich auch als Poetry-Slam vorstellen. Was hältst Du von dieser Stilrichtung?
Eine Schweizer Kabarettistin nennt Poetry Slam die Paralympics der Literatur. Aber nicht deswegen – ich denke, das ist nichts für mich. Bin überhaupt recht öffentlichkeitsscheu und lasse lieber lesen. Nicht gut für einen Autor? Ansonsten klappere ich im persönlichen Gespräch, virtuell u.a. auf Facebook für meine „Schriftsätze“.
Ich danke Dir für Deine ehrlichen Antworten und freue mich schon auf ein weiteres Interview mit einer Deiner Kolleginnen/Kollegen. Und keine Sorge, es gibt jedes Mal neue 10 Fragen.
Euer Markus vom MoKo – Verlag